Winterbastelei 2013 / 2014

Eigenbau Wintertrike

von Markus Christl und Andreas Rackel (MC&Gyver)
Alle Angaben ohne Gewähr. Nachahmungen auf eigene Gefahr

Wie immer beginnt alles mit einem Dutzend Plänen, die fast stündlich wieder über den Haufen geworfen werden. Aber irgend wann löst sich der Knoten und man hat ein Bild im Kopf von dem man überzeugt ist, dass es eine Lösung darstellt. Markus hatte wieder den richtigen Vorschlag zur richtigen Zeit gebracht. "Wir können doch für den Winter ein Trike mit überschaubarem Aufwand und geringen Kosten nach dem Vorbild von XYZ - spaceframevehicles bauen". Es gab keine nennenswerten Einwände. Also konnte es losgehen...

Der Wechsel vom Mikromodellbau zum Fahrradbau bringt erst mal eine Vergrößerung der Werksatt mitsich. Deswegen wurde im Sommer erst mal eine 20m² Werkstatt aufgebaut. Die Gartengeräte befinden sich im extra Anbau, der im Original-Bauplan nicht vorgesehen war. Aber nur so ist genügend Platz für die Bikes.

Der Plan:

Ein paar Skizzen können vor dem hemmungslosen Einsatz der Säge nicht schaden. Markus brachte SketchUp (freeware) ins Gespräch und wir beide haben uns innerhalb von 2 Tagen so schnell damit angefreundet, dass die Konstruktion des Trike kein Problem mehr war. Hauptbestandteil sind 25mm Quadratrohre aus Aluminium.

Die Komponenten:

Excelliste folgt

Die Werkzeuge:

Excelliste folgt

Start mit den Achsschenkeln:

Endlich gehts mit der Handarbeit los! Späne herstellen macht Spaß und im besten Fall kommt auch noch ein verwendbares Werkstück dabei raus.

Kaum sind die ersten Teile abgeschnitten, stoßen wir natürlich auf den Erfolg an.

Die Achsschenkel sind aus 30mm Quadratrohr gefertigt. Wir haben uns dafür entschieden Kugellager statt Kunststoffbuchsen zu verwenden. Die 20" Felgen sind mit einer Trommelbremse ausgestattet..

...und sie dreht sich doch!

Die Tretlagerhalterung:

4 Quadratrohre werden so ausgeschnitten, dass die Tretlagerhülse von Pedalkraft fest eingespannt werden kann.

Die Vorderachse:

Ca. 100 Hülsen werden je Trike benötigt um zu verhindern, dass sich die Quadratrohre beim Anziehen der Schrauben zusammendrücken. Nachhaltige Stabilität ist somit gesichert.

2 Radiallager und ein Axiallager werden in den Achsschenkeln eingesetzt. Das Axiallager wird gegen Verschmutzung in eine Kunststoffhülse aus POM gepresst.



Der Hinterbau:

Die Ausfallenden werden aus 8mm dicken Alublechen hergestellt. Ein paar Löcher für die Radien in den Ausschnitten werden mit dem Stufenbohrer gebohrt und der Rest mit der Stichsäge ausgeschnitten.

Der Hinterbau wird mit zusätzlichen Längs-und Querstreben stabilisiert. Alle Komponenten werden gleich doppelt angefertigt, um gleichzeitig 2 Trikes zu vollenden.

Der Knick:

Vorderachse und Hinterbau werden mit 6mm dicken Knotenblechen aus Alu verbunden. Der Winkel ergibt sich aus der 100mm Wunschbodenfreiheit, die einfach vor dem Verschrauben entsprechend untergelegt wird.

Hinter dem Knotenpunkt bleibt genügend Platz für den Akku und den Regler. Die Rohre des Tretlagermasten werden so eng wie möglich zusammengeschraubt. Somit ergibt sich maximale Beinfreiheit beim Kurbeln. Die Mastspitze wird wie geplant an der unteren Verschraubung der Vorderachse zusätzlich abgestützt.

Das sieht nicht nur stabil aus. Der erste Test zeigt, dass die Normallast von einer Person inkl. Bier locker aufgenommen werden kann.

Markus hat schon an dem Analyser gearbeitet und das neue Display in Betrieb genommen, mit dem sich nun auch Grafiken darstellen lassen. Der Sitz sieht gar nicht so schlecht aus. Er ist für das Trike aber unbrauchbar, weil die Sitzfläche viel zu kurz geraten ist. Naja, es geht nicht alles glatt... Die zweite Version ist in Arbeit.



Die Lenkung:

Beim Dezember Liegeradstammtisch ist der Vorschlag mit den kreuzenden Spurstangen gekommen. Das bedeutet weniger Arbeit und eine Umlenkung fällt weg. Somit ergibt sich weniger Spiel und eine direktere Anlenkung der Achsschenkel. Ich war schnell überzeugt und die Planabweichung ist absolut kein Problem.

Eine Strebe mit doppelt eingesetzten Bundlagern wird am unteren Rahmen angeschraubt. Das Blech mit dem montierten Lenker und den Kugelköpfen wird mit einer Schraube M8 eingestezt.

Die 8mm Spurstangen werden auf Länge geschnitten und auf einer Seite mit einem Linksgewinde und auf der anderen Seite mit Rechtsgewinde versehen. Der Anlenkpunkt ist mit Hilfe der extra angefertigten Bleche nun vor der Radachse.

Das Ergebnis funzt supi. Der Ackermannwinkel (hier 14,5°) wird mit der Position der Kugelköpfe auf dem Blech mit dem Lenker realisiert.

Mit dem Anschlagwinkel wird die Spur eingestellt. Erst die Probefahrt wird endgültig zeigen, ob die Lenkeigenschaften zufriedenstellend sind.



Die Kettenführung:

Die Kette muss unter dem Sitz ein mal umgelenkt werden.

Es wird eine Rolle mit 70mm Durchmesser aus POM gedreht und mit 2 Bund-Kugellagern ausgestattet. Die genaue Position der Rolle wird am Rahmen ermittelt.

Mit ein paar Alublechen wird die Rolle am Tretlagermast festgespannt und lässt sich so nach Bedarf noch etwas versetzen.



Der Sitz (zweiter Versuch):

Man muss ja nicht alles neu erfinden. So haben wir einfach den Sitz vom Mungo abgeformt:

Die Styrodurstreben werden mit einlaminiert und geben dem Sitz Stabilität. Außerdem werden 8mm dicke Carbonrohre mit eingearbeitet um den Sitz an diesen Stellen zu befestigen.

Die ersten 3 Lagen bestehen aus einem 260g/m² Mischgewebe aus Kevlar und Carbon. Das macht eigentlich keinen technischen Sinn, aber von dem Material habe ich zu viel rumliegen und unter der Sitzauflage sieht man das gelbe Kevlar eh nicht mehr. Nachdem alles schön in Harz getränkt ist, wird der Sitz in eine Folie eingeschweißt und evakuiert. Der Luftdruck presst dann alles überflüssige Harz aus dem Laminat und wird von dem alten Betttuch aufgesaugt, welches später wieder entfernt wird.

Die Rückseite ist mit reinem Carbon bedeckt, bleibt aber matt, weil ich zu faul bin an dieser Stelle auf Hochglanz zu polieren. Ausreichend fest ist es auch so.

Das Ergebnis ist kein optisches Highlight, aber es ist zweckmäßig. Wie schon erwähnt, wird man davon später eh nicht viel sehen...



Ortlieb Taschenhalter:

Da wir beide Ortliebtaschen besitzen, muss auch dafür gleich eine passende Halterung mit vorgesehen werden.

Zunächst muss das Werkzeug angepasst werden, um die Löcher einseitig von innen in das Quadratrohr bohren zu können.

Eine kleine Konstuktion aus Winkelaluprofilen und einem 8mm Rohr ergibt einen ausreichend stabilen Halter für die praktischen Taschen.

Aus 1mm dickem Alublech wird die Wanne für den Akku gebogen und unter dem Sitz im Rahmen eingestezt.

Selbst der 20Ah Akku findet hier ausreichend Platz.



Korrosionsschutz:

Nach langem Überlegen, ein paar Spekulatiusschnäpsen und dem Bier zu den Plätzchen, haben wir uns dazu entschieden ein wenig Korrosionsschutz auf den Rahmen aufzutragen. Die Kombination von Edelstahl, Aluminium und Salzwasser würde das Trike sonst schnell vergammeln lassen.

Zum Glück spielt das Wetter am 30.12.13 mit. Also draußen alles abschleifen, entfetten und mit Kunststoffspray (Plastik 70) lackieren.

Der Rahmen wir bei der Gelegenheit an die Decke gehangen und bringt knapp 10kg auf die Waage.



Die Schutzbleche:

Das 26" Schutzblech ist aus Carbon laminiert und wird am Trike angepasst.

Für die Befestigung am Rahmen werden entsprechende Streben aus CFK Rohr hergestellt. Die Rohre werden beidseitig im richtigen Winkel angeschliffen.

Die CFK Flachmaterialstücke können jetzt im richtigen Winkel angeklebt und die Verbindung mit Kohlefasern verstärkt werden. Nach dem Aushärten werden die Streben am Schutzblech vernietet und am Rahmen geschraubt.

Die äußeren Radscheiben sind auch aus CFK gefertigt und werden mit ein paar Reflektoren beklebt. Neben der Verringerung von Luftverwirbelungen schützen sie das Laufrad etwas vor Dreck, Salz und Nässe.

An die Schutzbleche werden noch Schmutzfänger aus Teichfolie montiert und mit Reflektoren der Klasse 3 bestückt. Die Akkubox wird komplett mit Carbonplatten abgedeckt.

Die weißen Reflektoren werden auch großzügig verteilt. Die Schnittkanten werden mit Plastik 70 versiegelt.

Markus hat sich nebenbei noch ein Tensiometer gebastelt um die exakte Speichenspannung messen zu können. (Die Druckfeder fehlt noch)

Mittlerweile ist es Februar und der Schnee liegt vor der Tür. Mit Schokoladentorte füllen wir schon mal unseren Energiepuffer.

Das Tretlager:

Für den Umwerfer muss ein Rohr im richtigen Winkel hergestellt werden. Das Carbongewebe wird um ein Styrodurkern gewickelt und im zweiten Schritt mit einer CFK Platte verbunden.

Das Gegenlager für die Bowdenzughülle wird aus einem Aluminiumwinkel geschnitten und einfach an der Schelle für das Tretlagerrohr montiert.

Das Tretlager ist fertig aufgebaut. Eine StVO zugelassene LED Lampe und ein Zusatzscheinwerfer machen die Nacht zum Tag. Das Rücklicht wird zusätzlich mit Bremslicht und Blinkern ausgestattet, die aber noch im Entwicklungszustand sind. Wenn wir die richtigen LED's gefunden haben, werden die auch in ein CFK Rohr eingesetzt.

Die Elektronik:

Alle Daten, wie zum Beispiel Geschwindigkeit, Strom, Spannung, Zeit, Reichweite usw, werden ermittelt und sollen angezeigt werden. Außerdem wird aus dem Fahrakku die optimale Spannung für alle Leuchten einstellbar abgezweigt.

Die Ein und Ausgänge werden über ein 15pol. Sub D Stecker realisiert, über die auch entsprechende updates eingespielt werden können. Vom Lenker aus, kann man mit den in Fahrradschläuchen einvulkanisierten Tastern, das Display bedienen und die Blinker schalten.

Mit der Diagnosesoftware können alle Funktionen geprüft werden. "Gas"-Griff, Bremskontakte, Tretlagersensor und Radsensor können so optimal positioniert und getestet werden. Statt Reedkontakten kommen Hallsensoren zum Einsatz.

Über dem Display, welches komplett wasserdicht gemacht wurde, ist noch Platz für den Edge 800.

Alles funktioniert tadellos.

Akku rein, Abdeckungen dran, Sitz drauf und die Probefahrt kann nach 3 Monaten Bauzeit starten.

Vorher wird noch schnell gewogen. 32kg Abfluggewicht. Ohne E-Antrieb und Akku ca. 25kg



Technische Daten:

Laufräder 26/20
Trommelbremsen vorne
Bodenfreiheit: 100mm
Breite: 780mm
Tretlagerüberhöhung 150mm
Vorlauf 40mm

Details folgen...

Mechanik Anpassungen:
1. Scheibenbremsen

Die Trommelbremsen vom Markus hatten eine stark pulsierende Bremskraft. Das wurde immer schlimmer und war am Ende unfahrbar. Anstandslos wurden die Räder vom Lieferanten Pedalkraft zurückgenommen und gegen Laufräder mit Scheibenbremsen getauscht. Mit einem 15mm Quadratrohr ein paar 6mm dicken Blechen wurden die Bremssättel auf dem Achsschenkel montiert. Da es nur linke Scheibenbremssysteme gibt wurde der Bremssattel auf der linken Seite oben und auf der rechten Seite unterhalb montiert.

2. Lenkachse stabilisieren

Die Lenkachse konnte mit dem Lenker sehr leicht verbogen werden, weil sie nur unten am Rahmen gelagert war. Ein Gegenlager am oberen Ende der Lenkachse verhindert das nun. Jetzt kann man sich in schnellen Kurven und bei der Fahrt auf 2 Rädern vernünftig am Lenker festhalten ;o)

3. MTB Kupplung

Da ich auch sehr gerne mit dem MTB fahre, kann ich mit einer entsprechenden Kupplung das MTB einfach mitnehmen. Mit dem E-Trike zum Singletrail, dann mit dem MTB so richtig austoben und anschließend wieder gemütlich mit dm Trike nach Hause kurbeln. So langsam kann ich komplett auf's Auto verzichten. Jetzt fehlt nur noch ein Lastenanhänger...

Das Vorderrad wird einfach mit Klettbändern am Rahmen befestigt. Ich muss nur aufpassen, dass ich mit der Überbreite keine Passanten aufgabel.

Der Test mit maximalen Lenkeinschlag war auch verfolgreich. Das MTB neigt sich wegen dem Steuerkopfwinkel zwar in's Kurvenäußere, stößt aber nirgends am Trike an.

Wir hoffen, dass wir ein paar Einblicke in die Umsetzung geben konnten und freuen uns schon auf weitere Projekte.


MC & Gyver
Markus Christl und Andreas Rackel